Titelbild audience-first Mindset

Das audience-first Mindset

Wer war nicht schon einmal in der Situation und hat geseufzt: „Ach, wäre das schön. Ich sage etwas und meine Zuhörer verstehen mich“. Ich meine wirklich verstehen. Also das Gesagte vollständig verinnerlichen, die gut gemeinten Absichten anerkennen und dann auch noch das tun, was ich von ihnen will. Ja, so einfach könnte Kommunikation sein. Ist sie aber nicht. Die Realität sieht gnadenlos anders aus: Desinteresse, Missverständnisse, Fehlinterpretationen, Halbverstandenes, Ignoranz, irrationale emotionale Reaktionen, Widerspruch, Ablehnung bis hin zu Feindseligkeit.

Kommunikation braucht Fokus.

Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Sie ermöglicht uns, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und uns auszutauschen. Im beruflichen Umfeld verfolgen wir mit Kommunikation meist die folgenden Ziele:

  • Wir möchten, dass unsere Botschaften beim Zielpublikum ankommen.
  • Wir möchten unsere eigene Reputation und Glaubwürdigkeit auf- oder ausbauen.
  • Wir möchten unsere wirtschaftlichen Ziele erreichen.

Wir kommunizieren alle auf unsere eigene Art und Weise. Dabei sind wir oft so sehr mit unseren eigenen Interessen und Sichtweisen beschäftigt, dass wir die Erwartungen und Bedürfnisse unseres Zielpublikums aus den Augen verlieren. So erreichen wir leider nicht immer die Ziele, die wir uns vorgenommen haben.

Durch das audience-first Mindset wird die Kommunikation von einem anderen Fokus bestimmt. Alle Überlegungen gehen von den Erwartungen und Bedürfnissen des Zielpublikums aus und berücksichtigen die Mechanismen, wie wir als Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten und im Gedächtnis behalten.

Dadurch werden wir verständlicher. Unsere Botschaften kommen beim Zielpublikum an. Wer für sein Zielpublikum verständlich ist, wird darüber hinaus als nützliche und wertvolle Informationsquelle wahrgenommen. Unsere Reputation und Glaubwürdigkeit steigen. Mit dem audience-first Mindset erreichen wir die beabsichtigten Kommunikationsziele.

Kommunikation ist das, was ankommt.

Eine häufige Forderung in Unternehmen und Organisationen ist: „Wir müssen unsere Kommunikation zum Thema X verbessern.“ Aber was bedeutet denn „verbessern“? Und wie kann man feststellen, ob man sich verbessert hat?

„Bessere“ Kommunikation bedeutet vor allem, dass die Ziele, die mit der Kommunikation verfolgt werden, besser erreicht werden. Das heißt, dass unser Gegenüber das Gesagte verstanden hat, dass er etwas Bestimmtes macht oder unterlässt, oder dass sein Vertrauen zu uns zugenommen hat.

Zum Kommunizieren braucht es immer mindestens zwei Menschen. Ein Mensch möchte einem anderen Menschen etwas mitteilen oder diesen zu einer bestimmten Handlung bewegen. Ob das gelingt oder nicht, liegt letztendlich vollständig im Ermessen der Zielperson, wie sie die Kommunikation versteht und bewertet. Kommunikation ist das, was beim Zielpublikum ankommt.

Der Kommunikationswissenschaftler und Soziologe Paul Watzlawick hat einmal gesagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Das bedeutet, dass unser Zielpublikum jede Kommunikation bewertet und versuchen wird, einen Sinn darin zu finden. Es kann durchaus sein, dass unser Zielpublikum dabei zu dem Urteil „langweilig und bedeutungslos“ kommt. Es ist wichtig, sich eines klarzumachen: Das Publikum bewertet Ergebnisse in der Regel völlig unabhängig davon, ob diese Bewertung uns gefällt oder nicht.

Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig: Wenn wir unsere Kommunikationsziele erreichen wollen, müssen wir unsere eigenen Ziele für einen Moment zurückstellen. Denn nur wenn wir uns in unser Zielpublikum hineinversetzen, können wir herausfinden, was es von uns erwartet und welchen Nutzen es hat, uns zuzuhören.

Ein weiterer Punkt ist, so banal es klingen mag, dass unsere Kommunikation an Menschen gerichtet ist. Wir müssen also die Art und Weise, wie wir kommunizieren, der Art und Weise anpassen, wie unser Gehirn Informationen aufnimmt, verarbeitet und speichert.

Um wirkungsvoll kommunizieren zu können, brauchen wir ein Mindset, das diese beiden Punkte zur Orientierung und zum Maßstab nimmt. Unser Denken bestimmt unser Handeln. Genau das ist gemeint, wenn wir von einem audience-first Mindset sprechen.

Kommunikation muss Erwartungen erfüllen.

Die Zuhörenden stellen Vermutungen über das zu erwartende Gespräch an:

  • Sie nehmen an, dass das Gesagte wichtig ist oder einen Neuigkeitswert hat.
  • Sie nehmen an, dass der Redner weiß, wovon er spricht.
  • In der Regel gehen sie davon aus, dass der Sprecher nicht in böser Absicht spricht.

Wenn wir uns diese Vermutungen anschauen, dann sind es eher Hoffnungen, die man an das Gespräch knüpft. Oder gar Erwartungen? Eines erwarten die Zuhörenden aber auf jeden Fall: einen persönlichen Nutzen aus der Kommunikation. „Was habe ich davon, wenn ich dir zuhöre?“ Im Englischen sagt man „What’s in it for me?“ – „Was springt für mich dabei heraus?“

Wir können nicht pauschal davon ausgehen, dass das Zielpublikum uns freiwillig und aus eigenem Antrieb zuhört und versteht. Auch wenn es provokant klingt: Wer wir sind und was wir tun, interessiert zunächst einmal niemanden. Es sei denn, das Zielpublikum verspricht sich einen persönlichen Nutzen von der Beschäftigung mit uns und unseren Inhalten.

  • Wissen: „Ich lerne etwas Neues oder Nützliches“. Die Befriedigung von Neugier, das Erreichen von Lernzielen in Schule, Studium und Beruf oder das gezielte Schließen von Wissenslücken können Motivationen sein.
  • Handlungsanweisung: Wenn man als Zuhörer vor einem Problem oder einer Aufgabe steht, sucht man nach Wegen, es zu lösen. Das kann ein Aha-Moment sein, aber auch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.
  • Inspiration: Vom guten Rat unter Freunden über einen TED-Talk bis hin zu einem anregenden Buch – sie alle helfen, den Blick für neue oder andere Sichtweisen zu öffnen.
  • Meinungsbildung: Der Zuhörer sucht nach Belegen, die ihm helfen, sich eine Meinung zu einem bestimmten Thema zu bilden oder diese Meinung zu bestätigen.
  • Zusammenleben:  Klatsch und Tratsch gelten als der Klebstoff des menschlichen Zusammenlebens. Tatsächlich verbringen wir viel Zeit damit. Klatsch und Tratsch schaffen Vertrauen, Sicherheit und Orientierung in der Gesellschaft.
  • Unterhaltung: Ob Lachen oder Weinen, wir genießen es, wenn uns Emotionen berühren. Die Liste der Beispiele ist lang: Witze, Anekdoten, Romane, Gedichte, Filme, Theater, Comedy, Stand‑up, usw.
  • Beziehung: Manchmal ist der Inhalt eines Gesprächs gar nicht so wichtig. Man möchte einfach Zeit miteinander verbringen oder vom Gesprächspartner als Person wahrgenommen werden.

In der Wissenschaftskommunikation gehen wir in der Regel davon aus, dass der erwartete Nutzen für unser Publikum im Bereich „Wissen“ liegt. Das kann sein, muss aber nicht. Gerade in der Kommunikation mit einem Laienpublikum müssen wir von einem breiteren Spektrum an Erwartungen ausgehen und diese berücksichtigen.

Kommunikation verfolgt immer ein Ziel.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen: Audience-first bedeutet nicht, dass wir unsere eigenen Ziele aufgeben oder vernachlässigen sollen. Ganz im Gegenteil. Das audience-first Mindset ist ein Werkzeug, um unseren Fokus so auszurichten, dass wir unsere Kommunikationsziele erreichen.

Kommunikation hat immer einen Zweck: vom Aufbau oder der Stärkung gegenseitiger Beziehungen über die Vermittlung von Wissen bis hin zur Aufforderung, etwas Bestimmtes zu tun.

Insbesondere wenn wir über Medien kommunizieren, gilt: Je klarer und präziser wir unsere Ziele formulieren können, desto klarer und wirkungsvoller ist unsere Kommunikation. Das audience-first Mindset mit seiner Fokussierung auf das Zielpublikums hilft uns, diese Klarheit über die eigenen Ziele und Absichten zu finden.

Drei zentrale Fragen definieren den Zweck unserer Kommunikation:

  1. What do we want them to know? – Was ist unsere Kernbotschaft an unser Zielpublikum? Was soll in Erinnerung bleiben? Die Kernbotschaft, möglichst in einem Satz formuliert, gibt uns die Richtung vor, welche unterstützenden Botschaften wir brauchen und wie wir unsere Kommunikation inhaltlich strukturieren. Die Kernbotschaft bestimmt den Inhalt der Story, die wir erzählen.
  2. What do we want them to do? – Was soll unser Zielpublikum tun oder unterlassen? Kommunikation verbindet immer einen Informationsaustausch mit einer Handlungsaufforderung an das Zielpublikum. Typische Ziele im beruflichen Umfeld sind: “Kauft mich”, “Finanziert mich”, “Unterstützt mich”. Auch der Wunsch nach Anerkennung ist häufig Ziel der Kommunikation. Wichtig ist, dass wir uns darüber im Klaren sind, was wir konkret vom Zielpublikum wollen. “Nichts” ist kein geeignetes Ziel für wirksame Kommunikation.
  3. What do you want them to feel? Welche Emotionen sollen beim Zielpublikum geweckt werden? Emotionale Bewertungen beeinflussen alle Entscheidungen, die wir treffen. Eine klare Beschreibung, wie wir wahrgenommen werden wollen und welche Emotionen das Zielpublikum mit uns verbinden soll, ist eine solide Entscheidungsgrundlage für die Art und Weise, wie wir kommunizieren, für unseren Stil und unser Design.

Man kann nicht nicht kommunizieren. Wenn wir kein klares eigenes Ziel in den drei Dimensionen Wissen, Handeln und Emotionen haben, wird das Publikum selbst etwas hineininterpretieren. Der Fokus auf die Zielgruppe hilft uns, unsere eigenen Kommunikationsziele zu definieren und entsprechend zu handeln. Wir bekommen mehr Klarheit darüber, was wir eigentlich erreichen wollen. Die Folge: bessere Kommunikation. Und wir machen es uns am Ende auch selbst leichter.

Verstehen macht Arbeit.

Kommunikation besteht aus den beiden Komponenten „Erklären“ und „Verstehen“. Das „Erklären“ ist Aufgabe des Senders. Der Empfänger ist jedoch kein passiver Zuhörer. Auch er muss geistige Arbeit leisten, um das Gesagte zu verstehen. Nennen wir es „Verstehens-Arbeit“.

Eine der Hauptursachen für schlechte Kommunikation ist, dass die Verstehens-Arbeit des Zielpublikums übersehen, ignoriert oder unterschätzt wird. Unterschätzt wird auch die Frage, ob der Zuhörer überhaupt bereit ist, diese Verstehens-Arbeit zu leisten. Hat er genügend Antrieb und Motivation dazu?

Wenn unser Zielpublikum die geistige Anstrengung des Verstehens scheut oder damit überfordert ist, besteht keine Aussicht auf erfolgreiche Kommunikation. Unsere Aufgabe besteht also darin, ihnen die Verstehens-Arbeit schmackhaft zu machen und so weit wie möglich zu erleichtern. Zur Erinnerung: Wir wollen etwas vom Zielpublikum und nicht umgekehrt.

Wie können wir unsere Inhalte so aufbereiten, dass sie für unser Zielpublikum verständlich(er) werden? Das audience-first Mindset beginnt mit der Suche nach Lösungen beim Zielpublikum und der Art und Weise, wie wir als Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten und uns merken.

Dabei müssen wir unterscheiden zwischen

  • den allgemeinen biologischen und psychologischen Prozessen der Wahrnehmung, die bei allen Menschen ähnlich ablaufen
  • und den individuellen, persönlichen Voraussetzungen einer bestimmten Zielgruppe.

Das Wissen um kognitionspsychologische Prozesse, die bei allen Menschen ähnlich ablaufen, hilft uns z.B. bei Entscheidungen, wie

  • geeignete Inhalte auszuwählen, zu strukturieren und zu dosieren
  • eine überzeugende “Story” zu finden
  • visuelle Gestaltungsideen zu finden, um abstrakte Inhalte und Daten zu vermitteln
  • die Aufmerksamkeit der Zielgruppe zu gewinnen, zu halten und zu steuern
  • Bewertung und Feedback zu Designvorschlägen

Bei den Besonderheiten eines bestimmten Zielpublikums geht es um die Klärung von Fragen wie

  • Welche Vorkenntnisse hat das Zielpublikum?
  • Gibt es Vorurteile oder Missverständnisse, die es auszuräumen gilt?
  • Gibt es fachspezifische Denkmuster oder Fachsprache, die wir nutzen können oder beachten sollten?
  • Hat das Publikum bestimmte Interessenschwerpunkte?
  • Gibt es sensible Bereiche, die wir berücksichtigen müssen?

Um es zusammenzufassen: Mit dem audience-first Mindset berücksichtigen wir bei der Aufbereitung von Inhalten, wie wir als Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten und uns merken. Dies betrifft sowohl grundlegende menschliche Fähigkeiten wie kognitive Grenzen oder die Vorliebe für Geschichten als auch individuelle Voraussetzungen wie Vorwissen und Vorurteile oder emotionale Bedürfnisse.

Wirksame Kommunikation braucht audience-first Mindset.

Mit einem audience-first Mindset erreichen wir unsere Kommunikationsziele:

  1. Unsere Inhalte sind verständlich und unsere Botschaften erreichen unser Zielpublikum.

Mit dem audience-first Mindset optimieren wir unsere Kommunikation so, dass unsere Inhalte und Daten vom Zielpublikum leicht erfasst, verstanden und behalten werden können. Indem wir uns auf die Erwartungen und den Nutzen für das Zielpublikum konzentrieren, wecken wir Interesse und Motivation, uns zuzuhören und verstehen zu wollen. Durch eine klare und verständliche Kommunikation erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Botschaft bei der Zielgruppe so ankommt, wie sie gemeint ist.

  1. Wir werden als nützliche und wertvolle Informationsquelle wahrgenommen. Unsere Reputation, unser Status und unsere Glaubwürdigkeit nehmen dadurch zu.

Wer verständlich ist, wird verstanden. Das audience-first Mindset orientiert sich an den Erwartungen und dem Nutzen für die Zielgruppe und erfüllt diese Nutzenerwartung durch eine verständliche Vermittlung der Inhalte. Man bietet dem Zielpublikum einen Mehrwert und erfährt dadurch persönliche Anerkennung. Zudem erhöht die Verständlichkeit die Glaubwürdigkeit der Aussagen und der sprechenden Person.

  1. Das Zielpublikum folgt unseren Handlungsaufforderungen und ist bereit, unseren wirtschaftlichen Zielen zu folgen.

Mit einem audience-first Mindset werden wir sowohl unseren eigenen Interessen als auch den Interessen des Zielpublikums gerecht. Wir schaffen eine Win-Win-Situation. Verständlichkeit, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft schaffen die Voraussetzung dafür, dass wir auch die mit unserer Kommunikation verbundene wirtschaftlichen Ziele erreichen.

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